Wednesday, November 18, 2015

Oro Verde - Grünes Gold (2014) - Rezension

Oro Verde - Grünes Gold (2014) - Eine Filmrezension von Arsen Seyranian für Schaffhausen.net

Mario ist Ingenieur - und arbeitslos. Bei seinem letzten Vorstellungsgespräch scheitert er an den gestellten Fragen. Seine Arbeitslosigkeit beunruhigt ihn und seine Frau, weil sie zurzeit auch ohne Job ist. Nun entscheidet sich Mario, dabei jede Tätigkeit anzunehmen, auch diejenigen die er nicht machen will. Schliesslich landet er in einem Call Center als Telefonverkäufer. Leider hält auch dieser Job nicht lange, da Mario die Verkaufsquote nicht erreicht und deswegen entlassen wird. Jedoch regen ihn die Abendnachrichten zum Nachdenken an: Er erfährt, dass kürzlich am Grenzübergang Chiasso eine grosse Menge an Cannabis beschlagnahmt wurde. Das Gras wurde nun in ein nahegelegenes Lager gebracht, wo es dann in den kommenden Tagen durch Verbrennung beseitigt wird. Mario zögert nicht lange und trommelt sich eine ‚Gang‘ zusammen, bestehend aus bekannten Leuten, denen es im Leben auch finanziell und beruflich besser ergehen könnte. Sein Plan: Mit seinen Mitstreitern in das Lager einbrechen, den Cannabis durch Heu austauschen und durch den späteren Verkauf ans grosse Geld zu kommen.

Regie führte dabei der algerische Filmemacher Mohammed Soudani, der seit 1972 in der Schweiz lebt, in den 80ern in den USA studierte und seit 1987 als Kameramann und Regisseur für die Radiotelevisione Svizzera fungiert. Währenddessen drehte er auch eine überschaubare Anzahl an Kurz- und Dokumentarfilmen. Auch wagte er sich an die Kategorie Spielfilme heran und lieferte mit ‚Oro Verde‘ sein jüngstes Werk ab. Inspiriert wurde dieser Film durch ein Ereignis in den 2000ern, wo es sich ähnlich der Beschreibung her abgespielt hat. Daraus eine Komödie zu machen, ist Soudani regelrecht gelungen: Obwohl es ein Schweizer Film ist, so wirkt es irgendwie nicht danach. Durch die gegebene Geschichte, das Schauspiel-Ensemble, der Schauplatz und auch Soudanis visueller Sinn könnten Gründe dafür sein.

Ein schweizerisches ‚Heist‘-Movie, das zum Schmunzeln anregt? Gibt’s denn sowas? Jetzt schon. Dies hier mitanzusehen ist eigentlich köstlich. Anhand der Story wirkt dieser Film fast wie eine ‚Underdog‘-Komödie, nur mit dem Unterschied, dass die Gruppe nicht eine soziale Unterschicht darstellt und dahinexistiert, um über die Runden zu kommen, sondern mehr um Menschen, die mit ihrer aktuellen Lage nicht zufrieden sind und quasi alles dafür tun, um sich bereichern zu können, damit sie es im Moment wieder besser haben. Klingt nach einem Luxus-Problem. Doch gibt es in der Schweiz sicher brisante Fälle von Menschen, die durch eigene Beweggründe zu illegale Tätigkeiten getrieben werden. Doch so dramatisch ist es bei ‚Oro Verde‘ nicht.

Namhafte Schweizer Darsteller dürften in diesem Film wohl Carlos Leal und Leonardo Nigro sein. Den Rest kennt man mehr oder weniger aus dem italienischen Film und Fernsehen. Doch alle geben ihr solides Können in dieser Komödie ab: Der Hauptdarsteller Fausto Sciarappa (Mario) sieht man den beruflich enttäuschten, aber entschlossenen Charakter an. Schnell kann man sich mit ihm identifizieren und begleitet ihn gern bei seiner Ausführung seines verrückten Plans. Leonardo Nigro kommt als angeschlagener, geschiedener Vater daher, der sich rührend um seine Tochter kümmert. Er bringt mehr die Ernsthaftigkeit in die Gruppe hinein, bleibt aber eher zurückhaltend. (Ungewollt) Komisch daher ist Carlos Leal, der in dieser Gang der Tollpatsch ist. Er hat kein Talent zu irgendwas, stürzt Treppen hinunter und bloss soll er nicht anfangen zu denken. Mal interessant ihn so zu sehen, dennoch wirkt es schon gewöhnungsbedürftig, wenn man ihn aus anderen Rollen kennt. Leal kann witzig sein und das spielen, doch in dramatischen Rollen liegt meiner Meinung nach seine wahre Begabung. Der Rest ist gut besetzt und die Damen bringen den italienischen Charme sowie Temperament gut rüber. Die Gruppe harmoniert wundervoll, die Chemie stimmt und diese wird bis zum Schluss durchgezogen.

Nachdem man sich über die Ausgangslage der Beteiligten amüsiert hat, beginnt der Film an einen leichten Spannungsbogen aufzubauen und behält ihn bis kurz vor Schluss. Dem Rest ist die Neugier des Zuschauers überlassen. Obwohl beim Coup die Zeit drängt, geht alles ruhig und gelassen von statten. Es ist mal schön zu sehen, dass auch was Brenzliges ohne grosse Hektik ablaufen kann. Optisch kann sich die Komödie auch sehen lassen. Die Farben wirken zu Tages- und Nachtzeit kräftig und satt. Die Dynamik zeigt sich durch saubere Schnitte, schön gefahrene Weitwinkel-Shots und einigen schrägen Bildaufnahmen. Musikmässig werden einige Szenen mit anregendem Jazz untermalt, welches eine frische Note gibt und die gute Stimmung des Filmes konstant hält.

Für die Schweizer Filmszene scheint ‚Oro Verde‘ kein grosser Wurf zu sein. Er wurde an den Solothurner Filmtagen im Jahre 2014 uraufgeführt und kam nur in die Tessiner Kinos. Auch ich sage, dass dieser Film nichts Grosses ist. Dennoch glaube ich, eine kleine Perle gesehen zu haben und finde, dass ‚Oro Verde‘ mehr Anerkennung verdient hätte. Diese Ruhe, die humoristischen Stellen, der italienische Charme, der Schauplatz Tessin, die absurden Situationen und die Art und Weise, was der Film zeigt wirkt einfach speziell, so untypisch, irgendwie unschweizerisch. Für mich beinahe unbeschreiblich – ungefähr wie eine Groteske, die aber keine Groteske ist. Der Film macht Spass, amüsiert auf leichtem Niveau und hinterlässt auch ein sanftes Feel-Good. Doch sollte ihn jeder für sich entdecken. Für mich ist er ein Schweizer Geheimtipp!

Auf SRF 2 lief ‚Oro Verde’ Mitte November als TV-Premiere im Zweikanalton: In der hochdeutschen Synchronfassung sowie im italienischen Original. Leider ist dieser Film zurzeit nicht als DVD oder Blu- ray erhältlich. Mit Glück findet man im Internet ein passendes VOD-Angebot. Der TV-Ausstrahlung zufolge wären aber die Gegebenheiten dafür da, diesen auf ein Filmmedium zu veröffentlichen – eventuell zieht das ja der Verleiher Präsens Film mal in Betracht. Verdient hätte er’s auf alle Fälle.

Text: Arsen Seyranian für www.schaffhausen.net

Saturday, April 11, 2015

The Philosophers - Wer überlebt? (2013) - Rezension

The Philosophers - Wer überlebt? (2013) - Eine Filmrezension von Arsen Seyranian für Schaffhausen.net

Der letzte Schultag auf einer internationalen Schule in Jakarta. Die Abschlussklasse ist bereit für die letzte Unterrichtsstunde in Philosophie. Ihr Lehrer, Mr. Zimit, gibt folgendes Szenario vor: Es herrscht Atomkrieg – die Menschheit steht kurz vor dem Aussterben. Vor ihnen steht ein Bunker, mit verschiedenen Räumen und allen lebensnotwendigen Mitteln ausgestattet – der Sauerstoff reicht für 1 Jahr. Damit das Überleben gesichert ist, können nur 10 Personen in den Bunker. Die Klasse mit dem Lehrer zusammen zählt sich aber auf 21. Wer draussen bleibt, wird eines langsamen jedoch qualvollen Todes verenden. Nun stellt sich die Frage, wer darf das Jahr überleben und wer muss sterben? Und vor allem: Wie entscheidet man das? Als Hilfsmittel ziehen die Schüler Zettelchen, auf der ihre eigenen beruflichen Fähigkeiten draufnotiert sind. Wie wird sich dies bloss auswirken? Die Schüler stehen vor einer riskanten Entscheidung und eine gefährliche Eigendynamik entsteht…

Logik trifft auf Emotionen. Das macht ‚The Philosophers‘ zu einem kleinen feinen Filmchen. Vor allem wenn man selbst gerne philosophiert, bietet dieser Stoff Futter z.B. für eine anregende Diskussion danach. Natürlich bleibt es nicht bei einem Szenario, es kommen noch zwei weitere hinzu. Damit das Ganze auch nicht zu eintönig ist, werden auch bei den beruflichen Fähigkeiten noch weitere Merkmale hinzugefügt, damit dann auch ganz logisch vorgegangen werden kann bei der Frage, wer überleben darf und wer nicht. Wohlgemerkt: Man sieht keine 100 Minuten einer Klasse zu, die gegenseitig nur Worte wechseln – Die vorkommenden Szenarien werden visualisiert, so dass der Zuschauer ins Geschehen eintauchen kann. Das Setting kann überzeugen. Die Effekte sind eher von der billigeren Art, jedoch sieht man davon nur weite Aufnahmen, so dass es nicht wirklich ins Auge fällt – für diesen Film total ausreichend. Keine bekannten Namen unter den Jungschauspielen, doch sie machen Ihre Sache solide. Auch während des Filmes sind kleinere Mängel nicht von der Hand zu weisen, doch nach dem Anfang steigt der Spannungsbogen und hält ihn bis zum letzten Viertel. Das Ende allerdings kommt leider klischeehaft und einfältig daher. Dennoch bleibt ‚The Philosophers‘ sehenswert, weil es interessant zu sehen ist, wie die jungen Menschen in ihren Szenarien mit Ihrer Philosophie, Ihrer Logik umgehen und welchen ethischen Fragen sie ausgesetzt sind. Zudem steckt zu jeder Entscheidung, die getroffen wird, eine Emotion dahinter, die vom Individuum selbst kommt. Hat die Logik auch für Emotionen Platz? Oder stellt sich die grundsätzliche Frage: Wann ist der Mensch ein Mensch? ‚The Philosophers‘ ist nun kein ‚Bullseye‘ für Filme, die sich mit Philosophie beschäftigen. Dafür gibt es weit schwerere Kost. Doch für einen leichten, spannenden und sogar anregenden Augenblick der Unterhaltung in der Philosophiewelt, ist ‚The Philosophers‘ sicher einen Blick wert.

Text: Arsen Seyranian für www.schaffhausen.net